Religiose Emotionen wurden in Selbstzeugnissen nicht einfach nur zum Ausdruck gebracht oder dokumentiert, der praktische Sinn dieser Schreibvorgange - in Tagebuchern, Briefen, Gebeten oder Autobiographien - lag vielmehr darin, das eigene Fuhlen mit den Anforderungen oder dem Angebot religioser Konzepte zu synchronisieren oder sich bewusst in Opposition zu diesen Anforderungen zu positionieren. Damit wurde der Akt des Schreibens oder auch des Sprechens zu einem hochgradig personlichen und zugleich emotionalen Handlungsvollzug. Der von Ulrike Gleixner herausgegebene Sammelband geht der Frage nach, ob in den Selbstzeugnissen, in denen Religion einen zentralen Stellenwert einnimmt, vorab gefasste religiose Gedanken und Gefuhle der Schreibenden niedergeschrieben werden, oder ob diese Emotionen erst im Schreibprozess selbst hervorgebracht werden. Es zeigt sich, dass religioses autobiographisches Schreiben ein hochgradig performativer Akt war. Dieser Befund gilt fur die Vormoderne wie fur die Neuzeit und beansprucht Gultigkeit uber christliche Schreibpraktiken hinaus.