Seit August 1945 begleitete der Bruderrat die Entwicklung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Der Bruderrat war aus der "radikalen" Bekennenden Kirche hervorgegangen und beanspruchte anfangs eine kirchenleitende Funktion. Gegenuber als restaurativ-konfessionell beurteilten kirchlichen Ordnungsvorstellungen bemuhte er sich um einen Neubeginn auf der Basis der Erkenntnisse des innerprotestantischen Kirchenkampfs, v.a. der Barmer Theologischen Erklarung von 1934. Der Bruderrat gilt wegen seiner Mitglieder und seiner "Worte" (Zum politischen Weg des deutschen Volkes, zur sog. Judenfrage, zur Fluchtlingsnot) bis heute vielfach als die im Wettstreit der kirchlichen Systeme progressivere und theologisch fundiertere, aber unterlegene Gruppe. Die Sitzungsprotokolle und die sie erganzende Dokumente bieten erstmals die Moglichkeit, dieses Urteil uber die Keimzelle des sogennanten Linksprotestantismus kritisch im Kontext der ersten Nachkriegsjahre und ihrer kirchlichen, gesellschaftlichen und politischen Weichenstellungen zu prufen.