Die ungeheure Energie, welche die Okumene fur die Aufarbeitung der Vergangenheit aufwendet, fehlt ihr, um tatsachlich in der Gegenwart und ihren Perspektiven anzukommen. In ihren dogmatischen Selbstfixierungen vernachlassigt die Okumene die von ihr zu erwartende Bezeugung der heilsamen Zuwendung Gottes an die in sich selbst gefangene Welt. Wenn sich die Kirchen um ihre gemeinsame Sendung herum versammeln, werden sie sich daran erinnern lassen, dass ihre Theologie kein Selbstzweck ist, sondern eine kritische Begleitung ihrer Praxis, die stets neu nach ihrer Angemessenheit zu fragen hat. Nicht die Stimmigkeit ihrer theologischen Systematisierungsversuche bestimmt das Leben der Kirche, sondern sie hat sich in ihrer selbstkritischen Wachsamkeit immer wieder neu von dem gegenwartig zu vernehmenden Wort Gottes leiten zu lassen. In ihrer Aufmerksamkeit auf die Verheissungen Gottes ist es die bleibende Erwahlung Israels, welche auch fur die Kirchen das fundamentale Unterpfand fur ihre Hoffnung auf die Treue Gottes zu seinem auf die ganze Menschheit ausgerichteten Bund ausmacht. Ein wesentlicher Beitrag der reformierten Tradition zur Okumene besteht im Hinweis auf diese israel- und bundestheologische Grundierung, durch welche die Okumene ihre Fixierung auf die Ekklesiologie uberwinden kann, um sich ganz neu von der Frage nach ihrem rechten Gottesdienst in der Gegenwart beleben zu lassen. Dabei wird sich die Okumene auch - wie es diesem Buch geschieht - mit einer Theologie der Religionen zu beschaftigen haben.